Warum sind familiäre Bindungen Segen und Fluch zugleich?

Nun als Baby, Kleinkind, Schulkind, Jugendlicher, (junger) Erwachsener sind wir froh um den Halt und die Sicherheit, die uns unsere Familie gibt. Essen, ein warmes Bett, körperliche Versorgung. Dann Aufmerksamkeit in Form von Spielzeug, vorlesen, und immer mehr, was uns dabei unterstützt den Horizont zu erweitern, um wirklich selbstständig zu werden. Dazu die diversen Übergangsphasen, in den wir immer mehr Verantwortung übernehmen, bis wir in unseren ersten Wohnung allein verantwortlich sind, oder sein sollten.

Doch auf dieser langen Reise werden wir auch geprägt: Wie geht Mann mit Frau um, Frau mit Mann, wie werden Konflikte angegangen oder vermieden. Wir lernen zig Strategien für den Alltag kennen, doch entwickeln selten bis gar nicht den Raum, wie wir selbst damit umgehen wollen. Weil wir zunächst so abhängig sind, lernen wir nicht von Innen zu handeln. Sondern lernen, wie wir uns verhalten müssen, um unsere Dinge in dieser Umgebung zu erhalten. Wir schreien, wenn wir essen wollen, weinen, wenn wir eine frische Windel wollen oder ein gute Nachtlied hören wollen, später wird uns erklärt, schreien wäre nicht okay, wir müssen bitte und danke sagen.. dann müssen wir uns selbst gute Nachtgeschichten vorlesen etc. Der Weg ist lang und wir lernen sehr, sehr viel.
Wir lernen vor allem, wie es in genau dieser, unserer Familie funktioniert. Wie das Zusammenspiel bei und mit den Eltern funktioniert oder mit möglichen Geschwistern. Was für ein Segen, man hat jemanden zum Spielen oder wird bespielt.. oder man muss kämpfen, um seine Spielsachen oder seinen Raum.. Aber auch dort lernen wir primär, wie die Umwelt interagiert, und kommuniziert, also stellen wir uns vor allem auf die Umwelt ein und lernen deren Sprachverhalten.

Auf dieser langen Reise, kommen wir irgendwann in neue Gewässer, den Kindergarten, die Schule, wir treffen Freunde, die ersten „Beziehungen“.. Alles sehr neu, fremd und wir müssen wieder viel lernen, doch meistens reproduzieren wir das, was wir zu Hause gelernt haben. Was wir vorgelebt bekommen haben. Wir gehen mit dem ersten jungen / Mädchen so um, wie wir es kennen, denn zu Hause klappt das ja recht gut. Unsere Streitigkeiten, im Kindergarten, in der Schule, etc. versuchen wir so zu lösen, wie wir es von zu Hause kennen. Wenn der Vater die Mutter anblafft und sie kuscht, dann blaffen wir unseren Spielkameraden an, wenn der das nicht kennt, kuscht, der auch. Scheinbar alles richtig, wir erhalten das, was wir wollen.

Und dann stehen wir auf eigenen Füßen. Stehen wir das? Ja, auf unseren Füßen. Doch bei der Frage, leben wir unser Leben? Müßten sehr viele Menschen nein sagen, und doch sagen sie ja, weil sie denken, sie leben sich. Sie leben so, wie sie selber leben wollen. Nun bei einigen stimmt das, sie wollen so leben, wie ihre Eltern. Doch die meisten wollen nicht so leben wie ihre Eltern. Denn wenn sie ganz tief in sich reinspüren, dann spüren sie wieviel in dem Leben der Eltern nicht so wirklich „toll“ war. Was mit der eignen inneren Wahrheit nicht im Einklang stand.

Allgemein spricht man von der Abnabelung von den Eltern, die Rebellionszeit der Jugendlichen.. doch dies ist nur die Spitze vom Eisberg. Selbst bei der Auswahl der eigenen Partnerschaft suchen wir das Gewohnte der Eltern. Weil wir sehr lange gelernt haben, wie diese miteinander klarkommen.

Unser Kopf wird uns erzählen, dass wir frei sind, so verschieden von unseren Eltern, nun sind wir Punks, essen Fleisch oder sind vegan, um unseren Eltern zu zeigen, ich bin anders. Doch bleiben unter Umständen noch ganz viele Spuren, tiefe Fahrspuren, eingefahrene Fahrspuren, wie was geht..

Sich aus diesen Fahrspuren zu befreien, kostet erst einmal Kraft, dann kommt ein Schleudern und dann nun dann geht es nur noch Offroad weiter, dort gibt es keine Fahrspuren, keine Strasse, dort ist Wildnis. Wie spricht der Nerd das Supermodel an? Oder die Bio-Körner-Tusse das Sportass? Es passt nicht, lieber unter Seinesgleichen bleiben.. der Nerd, die unsichere Streberin, die Bio-Körner-Tusse den Akustik-Gitarenspieler, der für Weltfrieden klimpert, etc.

Der Fluch der eigenen familiären Bindung ist, man verlässt nicht seinen gewohnten Bau, Tellerrand, Weltbild… der Segen daran? Es ist so einfach.

Aber es gibt noch eine Seite: Dir wird bewußt, was wie es funktionierte, Du fängst an, Dich zu fragen: Was willst Du? Wie würdest Du in Dir, aus Dir heraus leben? Und folgst diesem Gefühl.
Du wirst zu einem Experten des Ausstiegs, der Veränderung, Du bist derjenige, der allen anderen, die einen ähnlichen Weg gehen wollen, vorleben und zeigen kann, wie es geht.
Du kannst die Stärken und Schwächen beider Eltern vereinen, die starken Seite von Mutter und Vater, die schwachen Seiten von Mutter und Vater. Du kannst Dich entscheiden, welche dieser vier Kombinationen findest Du gut und willst sie beibehalten und welche inneren Werte willst Du dazu beitragen? Einen sechs-Fachen Mehrwert erzeugen? Dies ist Dein Segen, die Freiheit die Du erlangen kannst, für Dich.
Du hast so lange miterlebt, wie es geht oder nicht geht. nun kannst Du selber es anders machen. Nicht besser, anders. Deine Eltern haben es so gemacht, was und wie sie es konnten, aber Du kannst es anders machen! So, wie es für Dich persönlich heute passt.

Wie erkennst Du, ob Du es anders machst? Die Frage beinhaltet, ob Du erkannt hast, wie Deine Eltern es immer so machten? Warum sie es so machten? Werde Dir darüber bewußt, fühle nach, wie es für Dich stimmt und dann lebe Dich, Deinen Weg. Mach das, was Du möchtest, lerne nicht den Beruf, den Deine Eltern für Dich wollten. Suche Dir einen Partner, wie Du ihn magst, nicht wie Deine Eltern sich gegenseitig aussuchten. Lebe Dein Leben und Du lebst glücklich.
Wie man das anstellt? In dem man Wege geht, die man noch nie Betracht gezogen hat. Immer wieder bekomme ich das Feedback von Klienten, die erstaunt sind, das dies viel einfacher ist, als sie sich vorab vorgestellt hatten.

PS: Der Punk, der ausbricht aus dem spießigen Leben seiner Eltern, ist nicht frei! Er ist auf der Flucht, vor dem, was er ablehnt. Aber lebt er/sie sich selber oder nun das Anti, das Dagegensein, das Gegenteilige?
Wer Frei ist, lebt sich selber, nicht das Dagegen. Sich selber leben, heißt sich frei leben, mit sich selbst im Einklang. Wer mit sich im Einklang ist, muss nicht gegen etwas sein, da er bei sich ist.